Informelle Netzwerke als Schlüssel zur Krisenbewältigung
Unsere Factsheets:
Die aus den Ergebnissen des PanReflex-Forschung passenden Factsheets können Sie hier aufrufen:
- Gesundheitsfachkräfte im Quartier (GiQ) in Bremen und Bremerhaven
- Bürgerbeirat Corona der Stadt Augsburg
- Resilienzzentrum Ostalbkreis
Befund
Die Rolle informeller Netzwerke ist ein zentraler Erfolgsfaktor für die Krisenbewältigung vor Ort. Während der COVID-Krise war die Zusammenarbeit innerhalb der Kommunen und auch zwischen den Kommunen maßgeblich geprägt durch persönliche Beziehungen und gewachsene Vertrauensnetzwerke. Auch die Kommunikation und der Informationsaustausch in informellen Settings, wie in Kaffeepausen oder auf dem Flur, sind nicht unwichtig für reibungslose Abläufe. Dies zeigte sich während der Pandemie, als durch Homeoffice und geschlossene Schichten informelle Kommunikationswege weitgehend wegfielen.
Gerade in der Hochphase der Krise erwiesen sich diese Strukturen als entscheidend: Wer „in der Krise Köpfe kannte“, konnte schneller, flexibler und oft effektiver handeln. Diese Netzwerke ermöglichten es, Probleme über formale Verwaltungsgrenzen hinweg zu lösen. Abstimmungen wurden somit oft nicht über strukturierte, formalisierte Prozesse abgewickelt, sondern auf persönlicher Initiative und Vertrauen basierend und teils parallel auf politischer, fachlicher und administrativer Ebene. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen offiziellen und tatsächlich genutzten Kommunikations- und Meldewegen.
Netzwerkpartner:innen wirkten dabei häufig als Brücken in andere Fachbereiche oder Organisationen und konnten Prozesse beschleunigen, indem sie an formellen Regelstrukturen vorbei agierten. Diese Flexibilität war in der akuten Lage notwendig, verdeutlicht aber auch strukturelle Schwächen in der institutionellen Zusammenarbeit.
So hing auch der wichtige Austausch zwischen benachbarten Kommunen zum Beispiel zur Abstimmung bestimmter Maßnahmen wie die Öffnung von Theatern und Kinos häufig von persönlichen Kontakten ab. Erst im Verlauf der Pandemie bildeten sich Netzwerke und Formate für einen strukturierten, niederschwelligen und schnellen Austausch auf der Arbeitsebene aus.
Verlässliche Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren vor Ort haben sich in der Coronakrise als zielführend erwiesen. Insbesondere in der volatilen Krisensituation war es sinnvoller, externe Fachexpertise hinzuzuziehen (Bsp.: Messeveranstalter:innen und Logistkfirmen für Aufbau der Impfzentren, Wissenschaftler:innen im Krisenstab für Pandemieverständnis). Besonders im Hinblick auf die Krisenkommunikation zeigte sich, dass nur durch gut funktionierende Netzwerke mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und sozialen Trägern bestimmte Bevölkerungsgruppen (bspw. migrantische Gruppen ohne Deutschkenntnisse, Obdachlose) erreicht werden konnten.
Um die institutionelle Resilienz langfristig zu stärken, ist es wichtig, gezielt vertrauensbildende Strukturen aufzubauen und Zeit in die Netzwerkpflege zu investieren.
Handlungsempfehlungen
- Aufbau und Pflege von persönlichen Netzwerken fördern
Der Aufbau persönlicher verwaltungsinterner wie externer Netzwerke der Verwaltungsmitarbeitenden kann durch regelmäßige gemeinsame Übungen, Austauschformate, Hospitationen und gemeinsame Projekte aktiv ermöglicht und unterstützt werden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass der aktive Aufbau und die Pflege von Netzwerken und fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit anerkannt und auch von der Führungsebene gewollt und gefördert werden. Während Führungskräfte meist besser vernetzt sind, kennen die Mitarbeitenden auf der Sachbearbeiterebene eher selten Kolleg:innen mit ähnlichen Aufgaben in anderen Ämtern der eigenen Verwaltung sowie aus anderen Kommunen. Auch der Austausch auf der Arbeitsebene ist wichtig und kann in Krisenzeiten Kommunikationswege deutlich beschleunigen und erleichtern. - Gezielte Vernetzung und Aufbau von dauerhaften Vertrauensnetzwerken des Krisenstabs mit Akteuren vor Ort
Eine aktive Vernetzung und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem lokalen Hilfesystem, sozialen Trägern und Multiplikatoren aus der Zivilgesellschaft vor Ort ist ebenfalls ein zentraler Faktor in der Vorbereitung auf Krisen. Sind Ansprechpartner:innen bekannt und diese auch mit den Strukturen des Krisenmanagements vertraut, können diese im Krisenfall direkt angesprochen, einbezogen und für die Unterstützung bei der Umsetzung und Kommunikation von Maßnahmen genutzt werden. Dasselbe gilt für Akteure aus der Privatwirtschaft, die mit spezifischen Kompetenzen, Ausstattung und Gütern einen wesentlichen Beitrag zum Krisenmanagement liefern können. Dafür ist es erforderlich, in der Kommunalverwaltung einen Überblick über mögliche krisenrelevante Unternehmen vor Ort zu haben und mit diesen vor der Krise in Kontakt und Austausch zu treten. - Strukturelle Rahmenbedingungen für interkommunale Zusammenarbeit verbessern
Abstimmungsprozesse zwischen Kommunen sollten auch auf der Arbeitsebene institutionalisiert und mit klaren Zuständigkeiten und Kommunikationswegen versehen werden – ohne die Dynamik informeller Wege zu unterdrücken. Diese kann durch regelmäßig stattfindende Austauschtreffen zwischen Teams mit ähnlichen Aufgaben zwischen Nachbarkommunen oder in einer Region geschehen. Auch die aktive Mitgliedschaft in kommunalen Netzwerken sind hilfreich und unterstützen die Vernetzung und den Austausch. Die Vernetzung zwischen Kommunen und die aktive Nutzung von Synergien ist auch außer-halb von Krisenzeiten nützlich und trägt zur Effizienz der Verwaltung bei.
Handlungswissen und Ressourcen:
Praxisbeispiele
Leitfäden:
- Kommunalverwaltungen stoßen mit ihren Ressourcen und Handeln an Grenzen. Das liegt an der zunehmenden Krisendichte, aber auch an Transformationsprozessen wie der Digitalisierung und der Klimaneutralität. Solche Herausforderungen lassen sich nur gemeinsam im kommunalen Ökosystem lösen – dort setzt das Leitbild Netzwerkkommune an.