Systematische Krisennachbereitung und Lernen aus Erfahrungen des Krisenmanagements
Befund
Die Nachbereitung von Krisen findet in vielen Kommunen zwar grundsätzlich statt, erfolgt jedoch häufig unsystematisch.
In den wenigsten Fällen werden bereits in der Phase der akuten Krisenbewältigung ausreichend Informationen und Daten für eine fundierte Auswertung des Krisenmanagements dokumentiert. Häufig werden Entscheidungen und Beschlüsse in Protokollen festgehalten, aber nicht die Diskussionen, Hürden und Hindernisse, die diesen vorausgingen. So ist in den Protokollen des Krisenstabs beispielsweise zu lesen, dass Schulhöfe von umgefallenen Bäumen befreit wurden, nicht aber, dass die Schulbehörde nicht darüber informiert wurde und die Schule deswegen länger geschlossen blieb. Genau dies sind aber die zentralen Momente, um aus vergangenen Krisen für zukünftige Einsätze und Krisenbewältigungen zu lernen.
Wenn einzelne Erfahrungen dokumentiert und ausgewertet werden, münden diese Erkenntnisse jedoch meist nicht in eine konsequente Verbesserung von Prozessen und Strukturen. Es fehlt an formalen Verfahren, Leitfäden und Vorlagen zur Evaluation des kommunalen Krisenmanagements sowie an klaren Verantwortlichkeiten für die verwaltungsweite Verbreitung und Umsetzung der daraus abgeleiteten Maßnahmen. Auch die systematische Beteiligung relevanter Akteure bei der Aufarbeitung bleibt häufig aus. Insgesamt besteht ein Defizit an strukturierten Reflexions- und Lernprozessen, die für die langfristige Resilienz von Verwaltungen jedoch essenziell wären.
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem kommunalen Krisenmanagement wird das Lernen aus Krisen stets als wichtiger Punkt genannt, aber dann in der Analyse und in Empfehlungen kaum mit praktischen Hinweisen unterfüttert. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen und die Ausarbeitung praktischer Empfehlungen wären hilfreich.
Um die Resilienz kommunaler Verwaltung nachhaltig zu stärken, ist eine verbindliche, strukturierte, kontinuierlich angelegte Nachbereitung und Evaluation von Krisen unabdingbar.
Handlungsempfehlungen
- Formelle Verfahren zur systematischen Krisennachbereitung einführen
Kommunen können mit formellen Prozessen der Einsatz-, Lagen- und Krisennachbereitung standardisieren und damit erleichtern. Unterschiedlich große Krisenlagen erfordern unterschiedliche Evaluationstiefen – eine Nachbereitung sollte aber immer stattfinden. Es kann hilfreich sein, für bestimmte Krisenformen jeweils passende Formate (bspw. Nachbesprechung, Debriefings und Lessons Learned Workshops, Abschlussberichte, standardisierte Feedbackrunden, After Action Reviews) zu entwickeln und die Mitarbeitenden der am Krisenmanagement beteiligten Fachbereiche darin zu schulen. Bei größeren und komplexeren Krisen kommt auch eine externe Moderation aus einem anderen Fachbereich oder von außerhalb der Verwaltung als Unterstützung in Frage, die eine konstruktive Fehleranalyse hierarchie- und bereichsübergreifend erleichtern kann. Diese Verfahren könnten als verpflichtender Bestandteil des Krisenmanagementzyklus vor Ort verankert werden. - Krisenhandeln und Erfahrungswissen während der Krise dokumentieren
Je besser Entscheidungsprozesse, Schwierigkeiten im Einsatz und die dann gefundenen Lösungen sowie beteiligte Personen und Stellen bereits während des Krisenmanagements dokumentiert sind, desto besser kann in der Nachbereitung aus dem Erfahrungswissen gelernt und tatsächlicher Optimierungsbedarf erkannt werden. Dafür bedarf es allerdings einer umfassenden Dokumentation der Krisenstabsarbeit, die über reine Einsatzberichte hinausgeht. Sinnvoll wäre es zum Beispiel die verbindlichen Krisenstabsprotokolle so anzupassen, dass Fehler, Gründe für zeitliche Verzögerungen oder Hindernisse, Schwierigkeiten bei der Verteilung von Ressourcen oder Erreichbarkeiten unkompliziert notiert werden könnten. - Aus der Krise lernen
Erst wenn die in der Nachbereitung gewonnen Erkenntnisse in Prozesse und Strukturen des Krisenmanagements eingearbeitet bzw. diese entsprechend angepasst werden, schließt sich der Krisenmanagementkreis. Dieser Schritt findet selten statt. Dokumentierte Erkenntnisse werden zwar archiviert, fließen aber nicht in die Krisenvorbereitung ein. Damit dies gelingt, ist der zentrale Schritt die Einarbeitung der Erkenntnisse aus der Nachbereitung in Einsatz-, Alarm-, Krisen- und Pandemieplänen der betroffenen Fachbereiche sowie die gegenseitige Information über die Änderungen.
Im Idealfall gibt es in der Kommunalverwaltung eine Stelle, die sich kontinuierlich und mit adäquater Personalausstattung um das Krisenmanagement in der Kommune kümmert und für diesen Prozessschritt verantwortlich ist bzw. diesen nachhält. Auch die Integration der Evaluationsergebnisse in Fortbildungsprogramme und Krisenübungen leistet einen wichtigen Beitrag, um aus vergangenen Krisen für die Zukunft zu lernen.
Handlungswissen und Ressourcen:
Praxisbeispiele
Leitfäden:
- Der Leitfaden des Robert Koch-Instituts zu In(tra)- und After-Action Reviews (I-AR/AAR) beschreibt strukturierte, qualitative Lernprozesse, die während oder nach einer epidemisch bedeutsamen Lage durchgeführt werden, um Maßnahmen zur Krisenbewältigung systematisch zu analysieren und daraus Verbesserungen für zukünftige Gesundheitskrisen abzuleiten.